FACE-Projekt: Mit KI, Cloud und Edge zu präziseren EKG-Analysen

Wir sprachen mit Maximilian Zillekens über das innovative FACE-Projekt, das die Langzeit-EKG-Diagnostik mit Hilfe von KI sowie Cloud- und Edge-Computing revolutionieren soll. Zillekens, Software-Ingenieur bei der GETEMED Medizin- und Informationstechnik AG, erklärt, wie diese Technologien die Effizienz und Genauigkeit der EKG-Analyse verbessern und gleichzeitig Herausforderungen wie Datenschutz und Interoperabilität meistern können. Mehr dazu im folgenden Interview

Zur Person

“Mein Name ist Maximilian Zillekens, ich bin 30 Jahre alt und arbeite seit fünf Jahren als Software-Ingenieur bei der GETEMED Medizin- und Informationstechnik AG. Hier bin ich hauptsächlich in der Entwicklung von KI-Algorithmen für die EKG-Analyse tätig.

An meiner Arbeit begeistert mich, moderne Technologien in Anwendungen zu überführen, die anschließend im medizinischen Alltag eingesetzt werden können. Dabei fasziniert mich seit meinem Studium die Kombination von Software und Medizin.

In der Software-Entwicklung selbst gefällt mir das strukturierte Lösen komplexer Aufgaben durch das Herunterbrechen großer Projekte in kleinere Teilprobleme.”

Foto: (c) Maximilian Zillekens, LinkedIn

SEMDATEX: Herr Zillekens, was ist das FACE-Projekt und welche Hauptziele verfolgt es? Wer sind die Hauptnutznießer dieses Projekts, und welche innovativen Ansätze machen es besonders wertvoll für das Gesundheitswesen?

Maximilian Zillekens: Das FACE-Projekt zielt auf die Entwicklung einer modernen, KI-gestützten Analyseplattform zur Auswertung von Langzeit-EKGs ab. Dafür setzen wir auf eine Kombination von Cloud und Edge-Computing. Das bedeutet, dass eine erste Analyse in der Arztpraxis auf dem Praxisrechner durchgeführt wird (Edge). Dabei berechnet das KI-Modell neben den medizinischen Parametern auch die Unsicherheit dieser Ergebnisse, sodass nur komplexe Fälle zur tiefergehenden Analyse in die Cloud hochgeladen werden.


Welche spezifischen Vorteile bringt die FACE-Infrastruktur für die Analyse von EKG-Daten im Vergleich zu bisherigen Ansätzen? Warum ist die Kombination von Edge- und Cloud-Computing in diesem Zusammenhang so bedeutend?

Diese Kombination ermöglicht eine ressourcenschonende und effiziente Auswertung. Durch die selektive Übertragung der Langzeit-EKG-Aufzeichnungen werden Transport- und Berechnungskosten auf Cloud-Systemen minimiert. Gleichzeitig wird die Qualität der Analyse sichergestellt, da schwierige EKG-Aufzeichnung in der Cloud detailliert analysiert werden.

Welche Herausforderungen gibt es in der technischen Umsetzung des FACE-Projekts, insbesondere in Bezug auf Interoperabilität, Datenschutz und Sicherheit? Wie wird das Projekt finanziert und unterstützt?

Um Interoperabilität sicherzustellen, planen wir die Integration gängiger Schnittstellen zu PVS- und KIS-Systemen. Beim Datenschutz setzen wir darauf, die Übertragung personenbezogener Daten in die Cloud zu vermeiden und sensible Daten lokal zu verarbeiten. Gleichzeitig legen wir Wert auf die Implementierung etablierter Sicherheitsstandards und planen Penetrationstests durch unabhängiges Unternehmen ein. Dieses Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und finanziert von der Europäischen Union.


Über das Projekt

FACE steht für “Forschung zur Anwendung von Cloud und Edge-Computing für effiziente KI-gestützte EKG-Analysen“ und entwickelt eine Infrastruktur zur Analyse von EKG-Daten und anderen Gesundheitsdaten. Eine Systemarchitektur für die Edge- und Cloud-Datenverarbeitung wird geschaffen, um EKGs auszulesen, Patienten zuzuordnen und in einem 2-stufigen Verfahren zu analysieren. Die EKG-Schnittstelle (GETEMED) ermöglicht die Übertragung der Daten in eine Analyseplattform (SEMDATEX). Diese stellt den Ärzten die Ergebnisse dar und ist für den Einsatz vor Ort sowie in der Cloud geeignet. Im Data Warehouse werden die EKG-Daten gespeichert und bei Bedarf für weitergehende Analysen in die Cloud übertragen.


Könnten Sie uns einen Überblick über die verschiedenen Konsortialpartner im FACE-Projekt geben? Wie tragen diese Partner mit ihrem spezifischen Know-how zum Gesamterfolg des Projekts bei?

Als medizinische Partner im Projekt sind das DHZC (Deutsches Herzzentrum der Charité) sowie das Evangelisches Diakonissenhaus Berlin-Teltow-Lehnin vertreten. Diese Partner bringen medizinische Expertise mit ein, um nutzerzentriert die Plattform entwickeln zu können, EKGs zu analysieren und das System im klinischen Alltag erproben zu können. Neben der GETEMED, befassen sich auch das BIH der Charité und die Universität Siegen mit der Entwicklung der KI-Algorithmen. Durch SEMDATEX und BIOTRONIK erfolgt die Entwicklung der Analyseplattform und viel Kommunikation mit späteren Anwendern, um iterativ und agil nah am Anwender entwickeln zu können. Dieses interdisziplinäre Konsortium bringt unterschiedlichste Expertisen zusammen, was den Austausch und die Zusammenarbeit mit allen Partnern für uns besonders wertvoll macht.


Welche Aufgaben übernimmt GETEMED als Konsortialpartner im FACE-Projekt? Inwieweit bringt GETEMED seine Expertise in der Medizintechnik ein, insbesondere bei der Integration von EKG-Aufnahmen?

GETEMED ist Konsortialführer und entwickelt im Rahmen des FACE-Projekts KI-Modelle, die als Cloud-basierte Lösungen zum Einsatz kommen. Darüber hinaus arbeiten wir an webbasierten Modulen, um eine moderne EKG-Analyse zu ermöglichen. Mit über 35 Jahren Erfahrung in der EKG-Analyse bringen wir fundiertes Domänenwissen ein, welches wir mit modernsten KI-basierten Algorithmen kombinieren. Als Konsortialführer übernehmen wir zudem die Koordination des Gesamtprojekts und sorgen für eine enge Zusammenarbeit aller Partner.

Was genau sind Ihre Aufgaben im Rahmen des FACE-Projekts? Welche technischen Aspekte oder Herausforderungen im Projekt gehören zu Ihrem Verantwortungsbereich?

Im Rahmen des FACE-Projekts bin ich für die Entwicklung von KI-Modellen zur EKG-Analyse verantwortlich. Dabei liegt mein Fokus auf der Verbindung von Domänenwissen aus der EKG-Analyse mit modernsten KI-Methoden. Eine große technische Herausforderung ist dabei die lange Iterationszeit, die mit dem Training großer KI-Modelle verbunden ist, bis neue Ergebnisse ausgewertet werden können. Bei der Entwicklung einer App kann man schnell überprüfen, ob beispielsweise der neue Button funktioniert oder die Farbe korrekt angezeigt wird. Bei KI-Algorithmen dauert es länger zu überprüfen, ob eine kleine Modellanpassung tatsächlich zu besseren Ergebnissen führt. Darüber hinaus ist mein Team für die Entwicklung und Integration der EKG-Analysemodule zuständig. In diesem Rahmen bin ich aktiv in die Architekturplanung, Code-Reviews sowie in die Diskussion und Entscheidungsfindung zu zentralen Designfragen eingebunden.

Können Sie genauer auf die technologische Umsetzung eingehen? Welche Schnittstellen, Plattformen oder KI-Modelle werden eingesetzt, um eine effektive EKG-Datenanalyse zu ermöglichen?

Wir setzen auf modernste Architekturen für unsere KI-Modelle, die beispielsweise auf Transformer-Layern basieren. Gleichzeitig arbeiten wir intensiv daran, große Teile unseres Entwicklungszyklus zu automatisieren. Unsere Vision ist es, Modelle automatisch neu zu trainieren, zu evaluieren, zu dokumentieren und bereitzustellen, sobald neue, annotierte Daten verfügbar sind. Obwohl dies sicherlich noch ein langer Weg ist, bringt uns die schrittweise Automatisierung jedes einzelnen Prozesses stetig voran.


Was erhoffen Sie sich von der Zukunft des FACE-Projekts? Gibt es Pläne, die im Projekt entwickelten Technologien in konkrete Produkte zu überführen, und welche Chancen sehen Sie für deren Marktpotenzial

Nach Abschluss des Projekts streben wir an, die entwickelten Technologien in marktreife Medizinprodukte zu überführen. Wir sehen ein großes Potenzial für diese Lösungen im Gesundheitswesen, da sie die EKG-Analyse sicher, effizient und deutlich schneller gestalten können. Insbesondere angesichts der steigenden Nachfrage nach zeitsparenden Lösungen für die Langzeit-EKG-Analyse rechnen wir mit einer starken Marktakzeptanz. Langfristig könnten die Technologien auch in andere Bereiche der medizinischen Diagnostik übertragen werden, was weitere spannende Chancen eröffnet.


Vielen Dank für das Gespräch! 




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