“Die künstliche Intelligenz wird uns Kardiologen helfen, das Monitoring von großen Datenmengen zu bewältigen.”

Wir haben für unseren aktuellen Blogbeitrag mit Prof. Dr. Alexander Leber über die neuesten Entwicklungen in der modernen Telekardiologie gesprochen und uns Feedback für unsere Lösung inCareNet HF eingeholt, mit der Prof. Leber nun schon seit mehreren Jahren arbeitet. Lesen Sie mehr im folgenden Interview. 

Zur Person:

Prof. Dr. med. Alexander Leber ist seit 2013 Direktor und Chefarzt des Isar Herzzentrums und der Klinik für Kardiologie in München. Nach seinem Medizinstudium in Erlangen, Rennes und Kapstadt arbeitet er als Kliniker und Wissenschaftler an international renommierten Institutionen, unter anderem am Klinikum Großhadern der LMU München und am Sunnybrook Hospital der University of Toronto, Kanada.  Er ist bekannt für seine Expertise in der kardialen Bildgebung und interventionellen Kardiologie. Zudem hat er als Gründer von iATROS, dem ersten virtuellen Herzzentrum, Pionierarbeit auf dem Gebiet  der digitalen Medizin geleistet. 


Herr Prof. Leber, wie bewerten Sie die Rolle von Telemonitoring in der modernen Herzinsuffizienz-Behandlung, und welche Vorteile sehen Sie speziell für Kardiologen, welche für Patienten?

Leber: Telemonitoring spielt eine entscheidende Rolle in der modernen Herzinsuffizienzbehandlung. Am Isarklinikum in München, wo ich seit 2013 Direktor und Chefarzt des Isar Herzzentrums und der Klinik für Kardiologie bin, arbeiten wir mit inCareNet HF von SEMDATEX, um betroffene Patienten bestmöglich auch zu Hause zu betreuen. Erfreulicherweise ist das Telemonitoring für Herzinsuffizienz nun in der Regelversorgung abgebildet und wir haben als eine der ersten Kliniken ein Telemonitoring Zentrum etabliert, um unseren Patienten diese innovative Versorgungsform anbieten zu können.

Welche Fortschritte sehen Sie in der Telekardiologie, die den Umgang mit Herzinsuffizienz-Patienten für Kardiologen und Herz- und Gefäßchirurgen revolutionieren könnte?

Es wird auf vier entscheidenden Ebenen Fortschritte geben:

Erstens, hilft künstliche Intelligenz (KI) uns schon heute, prognoserelevante Datenmuster zu erkennen. Hier wird uns die KI in Zukunft noch besser dabei unterstützen, Dinge zu erkennen, die wir als Kliniker niemals sehen würden. In meinen Augen ist dies das spannendste Feld, denn hierdurch wird sich die Medizin grundlegend verändern, indem die KI uns den Weg in eine wirkliche personalisierte Medizin eröffnet. Zweitens: Die künstliche Intelligenz wird uns Kardiologen helfen, das Monitoring von großen Datenmengen zu bewältigen. Im Heart Failure (HF) Programm beispielsweise überträgt jeder Patient täglich mindestens ein EKG, Blutdruckwerte und Gewichtsdaten. Dazu kommen die Parameter der Implantate. Künftig werden täglich noch mehr Datenpunkte abgerufen und das kontinuierlich, denn je mehr Daten, desto besser das Monitoring. Nur mit Hilfe von KI können wir diese Datenmengen überhaupt effizient verarbeiten und bewerten. Drittens werden die telemedizinischen Programme künftig um das Thema Gesundheitskompetenz beim Patienten erweitert werden, denn viele Studien haben gezeigt, dass die Patientenschulung einen  großen Beitrag zur Verbesserung von Outcomes hat. Mit innovativen App Lösungen, die zunehmend auch mit Spracherkennung und Chatbots arbeiten, wird diese wichtige Säule skalierbar in die Patientenwelt getragen. Analog wird dies aufgrund der mangelnden Ressourcen niemals skalierbar werden. Und zu guter Letzt viertens wird ein weiteres outcome-relevantes Gebiet das individualisierte Medikationsmanagement. Wir sind aktuell weit davon entfernt, dass Patienten die optimale medikamentöse Therapie und dann auch noch in richtiger Dosierung erhalten. Gerade bei der Herzinsuffizienz kommen da auch noch auf das Krankheitsstadium abzustimmende dynamische Veränderungen hinzu. Auch hier wird künftig künstliche Intelligenz Ärzten und Patienten assistieren.

Sie arbeiten in Ihrem Klinik-Alltag mit inCareNet HF. Was sind die Vorteile dieser Lösung und wie hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert?

Die inCareNet HF Plattform ermöglicht es uns, entscheidende Vitalparameter kontinuierlich zu überwachen und frühzeitig auf Veränderungen zu reagieren.  So können wir die bei diesem Patientenkollektiv häufigen Dekompensationen effizient verhindern und den Patienten dadurch Klinikaufenthalten ersparen.  Das verbessert das Sicherheitsgefühl und die Lebensqualität der Patienten. 

Inwieweit hat sich die Kommunikation mit dem Patienten verändert? 

Sie hat sich verbessert, da diese sich nun aktiv in ihre Gesundheitsüberwachung einbringen können. Für Ärzte bietet die inCareNet HF Plattform eine Schlüssellösung, um das Telemonitoring  in den klinischen Alltag zu integrieren. 

Wie werden die externen Daten erhoben? 

Über externe Sensoren wie Blutdruckmessgerät, Waage und einen 3-Kanal-EKG werden Daten vom Patienten aufgezeichnet und direkt über das Mobilfunknetz auf unsere Monitoring Plattform übertragen. Das System ist optimal auf die Voraussetzungen für das HF-Monitoring abgestimmt. Alarme bei z.B. Gewichtsüberschreitungen werden übersichtlich dargestellt und die von uns veranlassten Maßnahmen können super einfach dokumentiert werden. 

Gilt das auch für Implantatdaten? 

Ja, auch Implantatdaten werden direkt transferiert. Ein großer Vorteil der Lösung für Patienten ist der plug and play Charakter. Umständliche Kopplungen via Bluetooth oder WLAN mit einer APP entfallen, so dass der Patient mit der ersten Messung sofort Daten überträgt. 

Welche sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für Gesundheitssysteme weltweit und wie könnte denen entgegengewirkt werden?

Auf die Gesundheitssystem kommen einige Herausforderungen zu. Zum einen steigt der Bedarf an medizinischer Betreuung durch die alternde Bevölkerung und die Zunahme an chronischen Erkrankungen. Zum anderen sind die Systeme mit einem gravierenden Fachkräftemangel konfrontiert. Dazu kommt noch die fortschreitende Urbanisierung, so dass es in ländlichen Regionen fast unmöglich werden wird, in Zukunft eine ausreichende Versorgung sicherzustellen, wenn man nicht beiden Problemen mit Hilfe von digitalen Technologien entgegentritt. Telemedizin muss so aufgestellt werden, dass eine fachärztliche Betreuung gewährleistet werden kann. 

Wie könnten diese aussehen? 

Das können zum Beispiel digitale Chronic Care Programme sein, die Komplikationen reduzieren und die Morbidität auch in älteren Bevölkerungen verhindern. Mit dem Telemonitoring Programm bei Herzinsuffizienz ist ein erster Schritt gemacht, jetzt muss diese innovative Versorgung schnell und unbürokratisch auf alle chronischen Erkrankungen ausgeweitet werden. Es ist längst überfällig, dass auf die schlechte Versorgungsrealität in Deutschland für Patienten mit beispielsweise Diabetes, Hochdruck, Übergewicht oder Fettstoffwechselerkrankungen reagiert wird. Mit Hilfe von intelligenten telemedizinischen Programmen können alle diese Erkrankungen viel besser und effektiver behandelt werden und somit Komplikationen wie Herzinsuffizienz, Herzinfarkt und Schlaganfall verhindert werden. 

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Telenurse: Neue Berufschancen in der Telemedizin

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